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+++ Wiedervereinigung – schwierig, möglich, lohnend +++

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3.10.2025

Heute vor 35 Jahren erfolgte die Wiedervereinigung Deutschlands. Jedes Jahr an diesem Tag wird an die Bedeutung dieses Ereignisses gedacht, dieses Jahr mit einem Festakt in Saarbrücken. Es lohnt sich, diese Bedeutung in das Bewußtsein zu rufen.

Das besiegte Deutschland

Nach dem zweiten Weltkrieg war das besiegte Deutschland von den Siegermächten USA, Frankreich, Großbritannien und der damaligen Sowjetunion in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Die westlichen Zonen entwickelten sich in Richtung Demokratie und Marktwirtschaft, die östliche sowjetische in Richtung Planwirtschaft und Sozialismus. 1949 entstand aus den westlichen Besatzungszonen die Bundesrepublik Deutschland als provisorischer Staat mit der Forderung der Wiedervereinigung in der Präambel des Grundgesetzes, und die sowjetische Besatzungszone wurde zur Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Damit gab es zwei deutsche Staaten nebeneinander. Eine Sonderrolle spielte die ehemalige Hauptstadt Berlin, die ebenso wie das Land unter den Siegermächten aufgeteilt wurde, und in West- und Ostberlin zerfiel. 1961 wurde die Trennung Deutschlands mit dem Bau einer Mauer mitten durch Berlin zementiert. Die Berliner Mauer stand nicht nur für die Trennung Deutschlands, sondern für den kalten Krieg weltweit, in dem sich westliche Demokratien und östliche Diktaturen gegenüberstanden und heute wieder gegenüberstehen.

Die beiden Staaten entwickelten sich sehr unterschiedlich. In der Bundesrepublik kam es auch durch die Unterstützung der USA in Folge des sogenannten Marshal-Plans zu einem ungeahnten wirtschaftlichen Aufschwung. Die Menschen lebten in Demokratie und Freiheit. In der DDR herrschte Sozialismus, Produktionskapital wurde zum Volkseigentum, Privateigentum war möglich, aber streng reguliert. Die Produktion folgte dem Plan, nicht der Nachfrage. Dadurch fiel die DDR wirtschaftlich immer mehr hinter die Bundesrepublik zurück. Die Menschen litten keinen Hunger und hatten Arbeit. Aber sie hatten eines nicht: Freiheit. Die Ausreise in den Westen war nur ausgesuchten Personen möglich. Für die breite Bevölkerung kam eine Fahrt von Eisenach nach Frankfurt am Main nicht in Frage, sie waren eingesperrt. Die Bürger wurden überwacht, die sogenannte Staatssicherheit, unterstützt durch Denunzianten, schuf ein Klima, in dem man vorsichtig wurde und überlegte, was man wem sagte. Die Grenze zwischen den beiden Staaten wurde durch Soldaten gesichert, die Menschen, die die Grenze überqueren wollten, auch erschießen durften und sollten.

Die friedliche Revolution

Über 30 Jahre hatte sich diese Situation etabliert, und nur die wenigsten hielten ein geeintes Deutschland für realistisch. Aber der aufgestaute Drang der Menschen nach Freiheit begann sich zu entladen. Es kam zum Entstehen der sogenannten friedlichen Revolution. Die Montagsdemonstrationen in Leipzig formulierten das berühmte “Wir sind das Volk”. Die Fluchtbewegungen nahmen zu. Gleichzeitig geriet die DDR-Regierung zunehmend durch finanzielle Probleme und Isolation innerhalb der östlichen Staaten im Zuge des Liberalisierungskurses des russischen Präsidenten Gorbatschow unter Druck.

Am 11. September 1989 öffnete Ungarn seine Grenze für DDR-Flüchtlinge. Im weiteren Verlauf des September versammelten sich tausende Flüchtlinge in der westdeutschen Botschaft in Prag. Am 30. September trafen der damalige deutsche Außenminister Genscher und Kanzleramtsminister Seiters nach Verhandlungen in New York, Moskau und mit dem DDR-Außenministerium in Prag ein. Als Genscher und Seiters unter “Freiheit, Freiheit”- Rufen auf dem Balkon der Botschaft erschienen und Genscher sagte “Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen zu sagen, dass Ihre Ausreise …”, ging der Rest des Satzes in einem ohrenbetäubenden Jubel unter. Am 9. November 1989 fiel schließlich die Berliner Mauer. Die Bilder unzähliger überglücklicher Menschen, die in ihrem Trabant durch das Brandenburger Tor fuhren, bleiben unvergessen. Die DDR war faktisch zusammengebrochen.

Der Weg zur Einheit.

Der Rest war Völkerrecht. In der DDR mußte sich die Führung und Legislative neu finden, und Vertragsverhandlungen zur Wiedervereinigung wurden vorbereitet. Zusätzlich mußten jedoch auch die alliierten Siegermächte einbezogen werden. Die sogenannten 2+4-Verhandlungen begannen, federführend vorangetrieben vom damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl. Die Formulierung des Einigungsvertrages wurde vom damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und dem Parlamentarischen Staaatssekretär Günther Krause als Vertreter der DDR verhandelt. Nachdem der Vertrag in den Parlamenten und Landesvertretungen mit den notwendigen Zweidrittelmehrheiten beschlossen waren, konnte der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland mit Wirkung zum 3. Oktober 1990 erfolgen.

Was 1988 kaum jemand für möglich gehalten hätte, war in gut anderthalb Jahren Wirklichkeit geworden. Und es ist ohne Gewalt erreicht worden. Und es ist auch nicht durch Hass erreicht worden.

Hat es sich gelohnt?

Rechtlich ist die Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 erfolgt. Faktisch ist sie ein Prozess, der bis heute andauert. Der damalige Bundeskanzler Kohl hat damals “in drei bis vier Jahren blühende Landschaften” versprochen und ist damit einer Illusion unterlegen. Die harte Anpassung der sozialistischen Wirtschaftsstrukturen an die marktwirtschaftlichen Gegenheiten hat viele Insolvenzen, Arbeitsplatz- und Wohlstandsverluste nach sich gezogen. Die geringere Produktivität in Ostdeutschland hat sich in niedrigeren Löhnen und Gehältern niedergeschlagen. Die Expansion wirtschaftlich starker westdeutscher Unternehmen in den Osten hat dort wirtschaftlichen Aufschwung ermöglicht, die Macht aber im Westen konzentriert gelassen. Die Unterschiede in Löhnen, Gehältern und Renten sind kleiner geworden, aber immer noch vorhanden. Das Gefühl, Deutsche zweiter Klasse zu sein, ist nach wie vor ausgeprägt, wird von populistischen Kräften befeuert und läßt heute das Land eher wieder auseinanderdriften.

Auf der anderen Seite ist bei der Frage, ob “es sich gelohnt” hat, eigentlich nicht nur der Vergleich zwischen hier und dort, sondern auch zwischen vorher und nachher angebracht. Die “Freiheit, Freiheit”-Rufe in der Prager Botschaft haben nach etwas gerufen, was heute Realität ist. Die Fahrt von Eisenach nach Frankfurt am Main ist heute kein Problem mehr. Und was man wem sagt, muss man heute auch im Osten Deutschlands nicht mehr vorsichtig überlegen.

Die Frage ist daher auch, worauf man die Lupe richtet. Um so mehr, wenn das, was heute Realität ist – Freiheit und Demokratie, alles andere als selbstverständlich ist. Das gilt auch nicht nur für Deutschland – es gilt weltweit. Demokratien können erkämpft werden – wie friedlich in Ostdeutschland. Wenn man aber nicht auf sie aufpaßt, können sie auch wieder zurück in Diktaturen verfallen. Das kann man seit 25 Jahren in Rußland und seit diesem Jahr in den USA sehen. Propaganda, Hass und Gewalt sind Wegbereiter dahin.

Der Weg zur Wiedervereinigung hat sich – wie jeder Weg – gelohnt, solange man in Erinnerung behält, was man damit erreicht hat, daran denkt, dass es nicht selbstverständlich ist, und dafür sorgt, dass es nicht wieder verloren geht.

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