Abbau von Demokratie und Gewaltenteilung, Außenpolitik mit der Abrissbirne, Streuen von Hass, Verprellen von Partnern, Signalgate, Start eines Handelskriegs, crashende Börsen, Rezessions- und Depressionsgefahr – momentan wird schon viel geschrieben über einen Narzissten und seine gigantische Zerstörungskraft. Aber auch die Frage, wie Narzissmus und eine derartige Zerstörungskraft entstehen können, ist brandaktuell geworden.
Die Psychologin und Autorin Stefanie Stahl beschäftigt sich in mehreren ihrer Bücher mit Kindheit und Selbstwertgefühl, dessen Grundlagen in dieser frühen Phase des Lebens gelegt werden – oder nicht. Faktoren, die zu einem guten Selbstwertgefühl verhelfen, sind Zuneigung, Liebe, Stabilität und Verlässlichkeit, konsistente Verhaltensweisen der Eltern und vor allem die Freiheit, die eigene Identität zu entwickeln, so wie ein Kind mit allen Stärken und Schwächen ist, angenommen zu werden.
Die Entwicklung von Selbstwertgefühl wird dementsprechend beeinträchtigt und beschädigt, wenn Eltern etwa sprunghaft zwischen Zorn, Ablehnung und Liebe wechseln, wenn ein Kind Wünschen und Ansprüchen, wie es zu sein hat, ausgesetzt ist, und unter Umständen gar durch Enttäuschung oder Liebesentzug bestraft wird, wenn es diesen Ansprüchen nicht genügt.
Wenn in der Kindheit nicht der Aufbau eines gesunden Selbstwertgefühls erfolgt, ist das im späteren Leben nicht mehr oder zumindest sehr viel schwerer nachzuholen. Selbstwertgefühl ist auch etwas anderes als Ego, Eitelkeit oder Überheblichkeit. Es ist ein souveränes und stabiles Selbstverständnis, dass man mit allen seinen Stärken und Schwächen, zu denen man steht, unter dem Strich wertvoll ist, ein empfundenes Gleichgewicht, in dem Klimmzüge nicht nötig sind.
Die Autorin beschreibt auch eindrucksvoll, wie sich die menschliche Psyche entwickeln kann, wenn sich das Selbstwertgefühl eines Menschen nicht vollständig entwickeln konnte. Diese Entwicklung kann in verschiedene Richtungen verlaufen. Eine davon ist Narzissmus.
Das Gefühl, nicht wertvoll zu sein, ist nicht angenehm. Menschen, die dieses Gefühl haben, möchten es abstreifen. Das wird versucht durch den Aufbau eines neuen Selbst. Neben dem, was die Autorin als „Kleinselbst“ bezeichnet, das als ungenügend empfunden wird, bauen sich Narzissten ein „Größenselbst“ auf, dass das Kleinselbst unterdrücken und für Perfektion sorgen soll. Dieses prägt ein extremes Streben nach Erfolg, Macht und Anerkennung.
Durch die Unterdrückung des Kleinselbst verschwindet es jedoch nicht, daher baut sich neben der kritischen Sicht im Unterbewusstsein auf die eigene Schwäche eine kritische Sicht bis zum Hass auf Schwächen überhaupt, auch die Schwächen anderer, auf. In der Folge werten Narzissten andere Menschen zunehmend und fortgesetzt ab, beleidigen und diffamieren sie. Gleichzeitig muss der Hunger nach Anerkennung gestillt werden, und das wird zur Aufgabe der Menschen im Umfeld gemacht. Kritik an Narzissten ist daher weder vorgesehen noch erlaubt. So kommt es zu dem absurden Ergebnis, dass bestraft werden muss, wer dem Narzissten etwas anderes als Anerkennung gibt, der Narzisst in seinem Hass andere Menschen aber fortgesetzt beleidigt und diffamiert.
Die Nichte von Donald Trump, Mary Trump, selbst Psychologin, hat in ihrem Buch „Zu viel und nie genug – wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt erschuf“ eindrucksvoll dargelegt, wie ihre dysfunktionale Familie der oben beschriebenen Entwicklung den Weg geebnet hat.
Zwei Faktoren kamen erschwerend hinzu: Fred Trump sen., Donalds Vater, war selbst Soziopath. Soziopathen zeichnen sich aus durch Gewaltbereitschaft, Rücksichts- und Gewissenlosigkeit, mangelndes emotionales Einfühlungsvermögen, zwar die Fähigkeit zu Emotionen, aber Probleme, sie zu kontrollieren. Kinder lernen Verhaltensweisen und Eigenschaften von ihren Eltern und so übernahm Donald auch diese schlechten Eigenschaften schon von seinem Vater. Weiterhin gab es ein großes Familienunternehmen. Familien und Familienunternehmen prägen sich gegenseitig. Es passiert manchmal auch, dass Familienunternehmen ganze Familien zerstören. Im Hause Trump zählte nur das Unternehmen und das Geld. Zuwendung, Liebe, echtes Familienleben, moralische oder emotionale Regeln gab es nicht.
Fred Trump sen. war ein dominanter Vater und wollte seine Söhne zu seinem Ebenbild formen. Eine eigene Identität zu finden, wurde nicht zugestanden. Der älteste Sohn, Fred jun., wollte seinen eigenen Weg gehen und Pilot werden. Dafür wurde er von Vater und Bruder fortgesetzt verspottet, verachtet und verfiel schließlich dem Alkohol. Donald wurde dem Anspruch seines Vaters gerecht und von ihm zum König hochstilisiert. Ob die Nachfolge im Familienunternehmen seiner wahren Identität entspricht, ist nicht wirklich zu sagen, aber seine geschäftliche Bilanz zeichnet sich eher durch Misserfolge aus, und was die ersten zwei Monate seiner Amtszeit an inkompetenter Wirtschaftspolitik gezeigt haben, spricht für sich. Was klar ist, ist dass er sich mit dem unersättlichen Streben nach Anerkennung, dem Hass, der Agressivität, der Bestrafung eines jeden, der ihm nicht huldigt, die Anerkennung als Narzisst weltweit erarbeitet hat und seine Zerstörungskraft jeden Tag mehr unter Beweis stellt.
Dieser Beitrag verfolgt nicht primär die Absicht, sich unverdrossen an Donald Trump abzuarbeiten. Er versucht an einem prominenten Beispiel deutlich zu machen, wie entscheidend Kindheit und die Grundlagen, die in dieser Zeit für das weitere Leben gelegt werden, für dieses Leben sind, und wie dramatisch die Folgen für dieses Leben – im konkreten Fall für die ganze Welt – sind, wenn sie nicht gelegt werden.
Kindheit ist wichtig.