Die US Administration hat der Eliteuniversität Harvard nunmehr untersagt, ausländische Studenten für den Lehrbetrieb zuzulassen. Weiterhin sollen schon immatrikulierte Studenten die Universität verlassen müssen. Wenig überraschend hat dieser Schritt weltweit Empörung ausgelöst.
Im US-Wahlkampf war es nicht einfach, die Sticheleien gegen angeblich woke oder linksliberale Bildungseinrichtungen wahrzunehmen oder ernstzunehmen, da sie unter unzähligen Sticheleien und Angriffen gegen alles und jeden nahezu untergegangen sind. Unmittelbar nach dem Regierungswechsel in Washington wurde der Beginn des gezielten Abbaus der Demokratie auch zunächst in anderen Bereichen konkret, z.B. im Ersetzen von Gesetzen durch Dekrete, die Besetzung des Kabinetts mit unqualifizierten Loyalisten oder dem Ignorieren von Gerichtsurteilen.
Ein lautes Warnsignal war jedoch die Anordnung an Universitäten, DEI (Diversity Equity Inclusion)-Programme aus den Lehrplänen zu streichen. DEI geht als Thema über “woke” weit hinaus. Einer der Vorwürfe ist auch der einer unamerikanischen Darstellung der Geschichte. Schon die Einflussnahme auf universitäre Lehrpläne war ein Versuch, die akdemische Freiheit einzuschränken. Mehrere Universitäten knickten ein – Harvard nicht.
Widerstand muss gebrochen werden. Als Harvard sich der Anordnung widersetzte, wurde zunächst der Geldhahn zugedreht. Fördermittel, auf die auch eine private Hochschule wie Harvard angewiesen ist, wurden gestoppt. Harvard fehlen somit Mittel in Höhe von ca. USD 4 Mrd. zur Aufrechterhaltung des Lehrbetriebs. Da Harvard immer noch nicht einknickte, ist die aktuelle Anordnung der nächste Schritt. Ausländische Studenten sollen die Hochschule aufgrund der steilen These, dass man damit Terrorismus bekämpfe, verlassen. Das sind bei Kosten für einen Studienplatz von ca. TUSD 80 pro Semester und ca. 6000 Studenten bzw. einem Anteil von fast 30 Prozent der Gesamtanzahl nicht nur massive weitere Einnahmeverluste für die Universität. Diese Anordnung kann auch ihren unverblümten “Ausländer raus”-Gedanken nicht mehr verbergen.
Bildung hilft, mehr zu sehen, mehr zu verstehen, mehr wahrzunehmen und auch eine eigene und fundierte Meinung zu bilden. Bildung kann unbequem sein. Bildung kann Opposition bedeuten, und Opposition kann für Diktatoren gefährlich sein.
In allen autoritären Systemen wurden Bildungseinrichtungen in das Fadenkreuz genommen, um Opposition und Widerstand einzudämmen. In allen autoritären Systemen wird immenser Aufwand betrieben, das Volk mit Propaganda dumm und ruhig zu halten. In Russland werden Menschen rund um die Uhr mit Propaganda berieselt, um Mündigkeit abzubauen.
Noch weiter gingen die Nationalsozialisten 1933, als von März bis Oktober von der NSDAP, der Hitlerjugend, der SA und der deutschen Studentenschaft als Teil einer “Aktion wider den undeutschen Geist” Bücher jüdischer, marxistischer, pazifistischer und anderer oppositioneller Autoren verbrannt wurden. Parallelbegriffe wie “undeutsch” und “unamerikanisch” machen unruhig.
Der US-Präsident hat mit seinem begrenzten Verständnis wirtschaftlicher Zusammenhänge einen Zollkrieg losgetreten, der durch Inflation und Konsumrückgang vor allem die amerikanische Wirtschaft treffen wird. Er hat mit dem kurzsichtigen Verprellen langjähriger Partner Vertrauen in und Ansehensverlust der USA verspielt.
Ein Angriff auf und Krieg mit Bildungeinrichtungen, insbesondere mit einer der besten Universitäten weltweit ist ein Kampf mit Einrichtungen, die Wissen schaffen, für Erneuerung stehen, technischen und wirtschaftlichen Fortschritt stehen, die Stärke in der Zukunft bedeuten. Es gibt auch Wettbewerb um die besten Professoren und Studenten. Die eigenen Eliteuniversitäten zu schwächen bedeutet, anderen Ländern Wettbewerbsvorteile in der Zukunft zu schenken.
Der Krieg mit Harvard und damit der Angriff auf Bildung zeigt beunruhigende Parellelen, die Hand in Hand mit dem Abbau von Demokratie, Recht und Ordnung in anderen Bereichen gehen. Wir sehen eine neue Bücherverbrennung, 92 Jahre nach 1933. Amerika entwickelt sich zur Autokratie, und die Proteste halten sich immer noch relativ in Grenzen.
Ein Phänomen ist aber auch, wenn ein Angriff nach dem anderen vielen so empfundenen Feinden schadet, noch mehr allerdings einem Amerika selbst, das durch diese Angriffe “wieder groß” werden sollte und immer kleiner wird.
Bildung ist tabu – Keep up Harvard!