Heute wurde um 11:00 in Oslo vom Nobel-Komittee mitgeteilt, dass der diesjährige Friedensnobelpreis an die venezolanische Oppositionsführerin Maria Corina Machado geht. Sie werde für ihren “unermüdlichen Einsatz für die demokratischen Rechte des venezolanischen Volkes und für ihren Kampf um einen gerechten und friedlichen Übergang von der Diktatur zur Demokratie” geehrt.
Seit der Regierungszeit von Hugo Chavez, die 1998 begann, ist Venezuela von Autoritarismus geprägt. Der aktuelle Präsident Nicolas Maduro führt seit 2013 diesen Kurs fort. Das Land verfügt über die größten Ölreserven der Welt – gefolgt von Saudi-Arabien. Aber seit den 80er Jahren verfiel es infolge von Ölpreisverfall, Misswirtschaft und die Weltwirtschaftskrise in eine tiefe wirtschaftliche und humanitäre Krise. Zwischen 2014 und 2020 büßte das Land ca. 80 % des Bruttoinlandsprodukts ein. Über 80% der Bevölkerung gilt als arm. 7 Millionen Venezolaner – ein Viertel der Bevölkerung – haben das Land in den letzten 11 Jahren verlassen. Zuletzt wurde Maduro 2024 nach Bekanntgabe gefälschter Wahlergebnisse in seinem Amt bestätigt.
Maria Corina Machado, Tochter einer Industriellenfamilie, gilt als entschiedene Widersacherin von Präsident Maduro und wird vom Nobel-Komittee als “Anführerin der Demokratiebewegung in Venzuela …, … eines der außergewöhnlichsten Beispiele zivilen Mutes im Lateinamerika der jüngeren Zeit … und … Schlüsselfigur in einer einst tief gespaltenen Opposition” bezeichnet. Sie war immer wieder Repression und Einschüchterungsversuchen ausgesetzt, des Landesverrats angeklagt und überlebte 2011 ein Attentat. Heute lebt sie versteckt, um ihrer Verhaftung zu entgehen, und tritt i.d.R. überraschend auf. 2024 war sie aussichtsreiche Kandidatin der Opposition bei den Präsidentschaftswahlen, wurde aber dann von der Wahl ausgeschlossen.
Demokratie hat vordergründig nichts mit Frieden zu tun. Das eine ist eine Herrschaftsform, bei der von der Wortbedeutung her das Volk der Herrscher ist. Das andere ist ein Zustand ohne Krieg oder Gewalt. Es ist aber ein Phänomen der Neuzeit, dass beide miteinander korrelieren bzw. sich gegenseitig bedingen. Das liegt daran, dass Völker im allgemeinen keinen Krieg wollen. Diktatoren sind ihm eher zugeneigt. In dem Maß, in dem Demokratie gefährdet ist, steigt die Gefahr von Krieg.
Demokratie steht weltweit unter Druck, besonders in ihrer Heimat, dem Westen. Amerika, in Europa v.a. Ungarn, aber es folgen Frankreich und mittlerweile auch Deutschland. Daher ist die diesjährige Preisverleihung auch als dahingehendes Signal und eine Mahnung zu verstehen, die gehört werden sollte.
Demokratie ist nicht selbstverständlich. Das gerät leicht in Vergessenheit, wenn Menschen in ihr leben. Und das führt zu Träg- und Blindheit – einer Träg- und Blindheit, die Hitlers Machtergreifung 1933 möglich gemacht hat, einer Träg- und Blindheit, die momentan in den USA einem übergriffigen Präsidenten in die Hände spielt, und einer Träg- und Blindheit, die dem gegenwärtigen Angriffskrieg Russlands in der Ukraine und seinem hybriden Krieg gegen ganz Europa sehr viel Raum gibt.
Widerstand erfordert die Überwindung dieser Träg- und Blindheit. Dabei gibt es ein unbarmherziges Gesetz: Je stärker die Demokratie geschwächt oder gar aufgelöst wird, desto schwerer und auch gefährlicher wird dieser Widerstand. In Rußland haben das Menschen wie Alexej Nawalny mit dem Leben bezahlt.
Venezuela war nach dem Sturz des Diktators Jimenez 1958 auch eine Demokratie, entwickelte sich aber in den 80er und 90er Jahren im Zuge des wirtschaftlichen Verfalls in Folge von Ölpreisverfall, Korruption und Misswirtschaft, der widerum zu Aufständen führte, die ihrerseits niedergeschlagen wurden, mehr und mehr zu einer Militärherrschaft, bevor es mit der Präsidentschaft von Chavez zur Diktatur wurde.
Maria Corina Machado steht für diesen Widerstand, den der Weg (zurück) zur Demokratie braucht. Sie hätte es in den 80er Jahren sicherlich leichter gehabt. Diesen Widerstand hat das Nobel-Komittee heute gewürdigt und gewichtet. Auch dahingehend darf man das als Signal und Mahnung verstehen.
Vielleicht noch nie ist die heutige Mitteilung so mit Spannung erwartet worden wie in diesem Jahr. Und auch vielleicht noch nie ist die Frage, wer den Preis nicht bekommen hat, fast so wichtig, wie die, wer ihn bekommen hat. Das ist US-Präsident Trump zu verdanken, der entgegen üblichen Verhaltens sich selbst einen Anspruch auf den Preis zuschrieb, unterstützt von seinem Apparat und politischen Freunden wie dem israelischen Ministerpräsidenten, begründet mit der angeblichen Beendigung von – je nach Version – sieben, acht oder zehn Kriegen und begleitet von indirektem und direktem Druck auf das Komittee.
Man kann das Realitätsferne oder Frechheit eines Mannes nennen, der seit Monaten die Demokratie aushöhlt und sie in eine Diktatur umformt, die Nationalgarde in demokratisch regierten Städten aufmarschieren und gegen unschuldige Bürger vorgehen läßt und die Justiz zum Handlanger bei der Verfolgung seiner Gegner gemacht hat. Es ist aber ermutigend, dass das Komittee zu der Gruppe derer gehört, die sich seinen Übergriffen nicht gebeugt hat. Auch das ist Widerstand.