Am Montag gab es nach über zwei Jahren Krieg im Gazastreifen historischen Jubel. Die letzten 20 überlebenden Geiseln, die die Terrororganisation Hamas nach dem Massaker am 7. Oktober 2023 verschleppt hatte, wurden nach zwei Jahren in menschenunwürdigen Haftbedingungen freigelassen – 20 überlebende von ursprünglich 253. 28 Geiseln haben die Haft nicht überlebt. Der Gazastreifen selbst ist in Folge massiven israelischen Beschusses in weiten Teilen verwüstet.
Das war der erste Schritt eines 20-Punkte-Plan von Donald Trump für einen Frieden im Nahen Osten. Der US-Präsident, der durch die – ungewöhnliche – Zusammenarbeit mit mehreren Ländern und Druck auf die Beteiligten einen wesentlichen Beitrag zu dieser Freilassung geleistet hat, war nach Israel geflogen und ließ sich im Parlament feiern. Im Anschluss daran trafen sich 30 Staats- und Regierungschefs in Ägypten, wo ein Abkommen zur Sicherung der aktuellen Waffenruhe von den USA und den Vermittlerländern unterzeichnet wurde. Israel und die Hamas waren nicht dabei. Vor dem Tisch stand in großen Lettern „Peace 2025“.
Als nächste Schritte sollen nach dem 20-Punkte-Plan eine Regierung zum Wiederaufbau von Gaza, die Entwaffnung der Hamas und die Entsendung einer internationalen Friedenstruppe erfolgen.
Worum ging es in diesem Krieg und geht es in diesem Konflikt, der unzählige Menschen das Leben gekostet hat und den Überlebenden Verwüstung hinterlassen hat? Was macht den Gazastreifen – ein Gebiet nicht einmal halb so groß wie Berlin oder Hamburg – zu einem Pulverfass, das seit Jahrzehnten regelmäßig im Brennpunkt des Weltgeschehens steht, und dass zu befrieden bis heute nicht nachhaltig gelungen ist?
Auszüge aus dem ausführlichen Artikel und Querverlinkungen in Wikipedia: „Der aktuelle Konflikt in der Region geht auf die ab dem 19. Jahrhundert verstärkt stattfindende Rückkehr von Juden besonders aus den europäischen Staaten ins Gebiet des historischen Israel, wo sie sich teils noch immer bestehenden jüdischen Gemeinden anschlossen, teils Land erwarben und eigene Siedlungen gründeten. Hauptgrund der Einwanderung waren antijüdische Pogrome und Diskriminierung von Juden in Europa und der muslimischen Welt. Während des Ersten Weltkriegs erklärte sich Großbritannien in der Balfour-Deklaration einverstanden, eine „nationale Heimstätte“ für Juden im britischen Völkerbundsmandat für Palästina zu schaffen, die Juden Schutz vor Diskriminierung und Verfolgung bieten sollte. Bereits 1923 wurde das Gebiet erstmalig geteilt, in den arabischen Staat Transjordanien einerseits und das verbleibende britische Territorium in Cisjordanien andererseits. In der Folgezeit kam es trotzdem weiter zu heftigen, meist antisemitisch motivierten Zusammenstößen zwischen Juden und Arabern, wie z. B. das Massaker von Hebron. Deshalb legten die Vereinten Nationen 1947 einen Teilungsplan vor, der das verbliebene Gebiet in einen jüdischen und einen arabischen Staat aufteilen sollte. Obgleich das den Juden zugesprochene Gebiet die meisten heiligen oder historisch wichtigen Stätten der Juden (wie z. B. Hebron, Teile Jerusalems etc.) nicht einschloss, stimmten die Anführer der jüdischen Bewegungen zu und gründeten 1948 den Staat Israel. Die arabischen Staaten lehnten eine Teilung jedoch ab und begannen den Palästinakrieg, den Israel innerhalb kurzer Zeit gewann. Der Gazastreifen wurde damals ägyptischer Verwaltung unterstellt.
Es folgte 1967 der Sechstagekrieg. Damals „wurde der Gazastreifen von Israel besetzt, und die israelische Regierung genehmigte dort die Anlage jüdischer Siedlungen. 8000 Siedler lebten auf 40 % des Gebietes des Gazastreifens in einem als Gusch Katif bezeichneten Siedlungsblock im Süden. Diese Siedlungen waren für die arabischen Bewohner des Gazastreifens nicht zugänglich und schnitten ihren Zugang zu Stränden und Feldern ab. Für die israelischen Siedler wurde ein eigenes, vom palästinensischen getrenntes Straßennetz angelegt, über das ihre Orte vom israelischen Staatsgebiet aus sicher erreichbar sein sollten. Anfang der 1980er bestand im Gazastreifen ungeachtet der Unzufriedenheit der lokalen Bevölkerung eine überwiegend friedliche Koexistenz. Erst im Dezember 1987 begann die Erste Intifada mit Protestaktionen arabischer Jugendlicher im Gazastreifen.
Seit dem Gaza-Jericho-Abkommen von 1994 (dem sogenannten Kairoer Abkommen) stand der Gazastreifen überwiegend unter der Selbstverwaltung der Palästinenser (Palästinensische Autonomiegebiete). Nur Teile des Gazastreifens blieben zunächst noch unter israelischer Kontrolle.
Am 28. September 2000 kam es mit der Ausrufung der Zweiten Intifada (Al-Aqsa-Intifada) zwischen israelischen Soldaten und Palästinensern erneut zu blutigen Auseinandersetzungen, die sich von Jerusalem und Israel auf den Gazastreifen und das Westjordanland ausweitete. Im Unterschied zur Ersten Intifada setzten radikale Palästinenser auf Terroranschläge in Israel.
Im Februar 2005 war die Zweite Intifada offiziell beendet. Die israelischen Siedlungen im Gazastreifen wurden im Jahr 2005 von der israelischen Armee geräumt und auch das Militär zog sich aus dem Gebiet vollständig zurück. Israel hält jedoch seit der gewaltsamen Übernahme des Gazastreifens durch die Hamas 2007 eine Blockade an der Grenze und vor der Küste aufrecht.
Zu Kampfhandlungen und Terrorakten kam es in der Konfliktregion jedoch trotz Phasen wechselseitiger Ruhe weiterhin.
Der Gazastreifen entwickelte sich zu einer Hochburg des arabisch-islamischen Fundamentalismus der Hamas, die in Opposition zur Fatah (PLO) und der Palästinensischen Autonomiebehörde agierte. Besonders die Hamas, die eine vollständige Vernichtung Israels fordert, heizt den Konflikt unter anderem durch regelmäßigen Beschuss Israels mit Kassam-Raketen und durch Terroranschläge an. Sie besteht aus den paramilitärischen Kassam-Brigaden, aber auch einem karitativen Netzwerk und einer politischen Partei, wodurch es schwer ist, sie eindeutig einzuordnen. Sie gehört ebenfalls der Muslimbruderschaft an, der auch der ehemalige ägyptische Präsident Mohammed Mursi, der zuletzt eine Vermittlerrolle einnahm, angehörte. International wird die Hamas unter anderem von der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten als terroristische Organisation eingestuft. Seitdem sie 2007 die Macht im Gazastreifen übernahm, richtete die Hamas mehrfach Personen hin, die sie der Kollaboration mit Israel beschuldigte.“
Die genannten Passagen sind lediglich Auszüge aus den Artikeln, die die Komplexität dieses Konfliktes nur unvollständig abbilden. Schon die ersten Bewegungen von Juden zurück in das Gebiet im 19. Jahrhundert waren durch Antisemitismus veranlaßt. Antisemitismus und der darin sich entladende Hass breitet sich auch aktuell wieder zunehmend aus. Die Juden, die sich dort ansiedelten, waren aber auch Migranten im allgemeinen, und auch aktuell werden die emotionalen Reaktionen auf Migration in vielen Diskussionen deutlich. Weiterhin ist Israel ein völkerrechtlich anerkannter Staat, während sich Palästina völkerrechtlich in einem ungeklärten Schwebezustand befindet. Zudem spielen hier auch verschiedene Religionen eine Rolle, und das Spannungsfeld zwischen Religionen, insbesondere wenn Islamismus eine Rolle spielt, kann Hass befeuern. Obendrein ist Israel ein demokratischer Staat, während in Palästina eine Terrororganisation eine Gewaltherrschaft aufgebaut hat und somit ein Systemkonflikt rumort. Auch wenn nach dem Sechstagekrieg 8000 Siedler auf 40% des Gebietes leben und die, die auf den anderen 60% leben, ausgesperrt werden, führt das zu Hass. Es braucht nicht viel Fantasie, um zu verstehen, dass wenn 6 Konfliktquellen ineinandergreifen und -wirken, noch mehr Hass die natürliche Folge ist.
In den Folgejahren hatte sich ein Zustand etabliert, in dem – finanziert vom Iran – drei Terrororganisationen, die Hamas im Gazastreifen, die Hisbollah im Libanon und die Huthi-Rebellen im Jemen, das offizielle Ziel teilen, Israel zu vernichten, Israel regelmäßig mit Raketen beschossen und das Land daher unter einem Iron Dome als dauerhaftem Raketenabwehrschirm leben muss – weltweit einmalig und schon lange keine Schlagzeile mehr wert.
An dem Tag kam es zu dem Überfall der Hamas auf Israel, insbesondere am Ort eines Open Air Festivals, zu einem Angriff, federführend durch die Hamas, bei dem ca. 1200 Israelis bestialisch abgeschlachtet und über 250 Geiseln verschleppt wurden. Es war widerwärtig, wie die Bluttat weltweit auf Strassen buchstäblich gefeiert wurde.
Israel hat das getan, was jedes Land getan hätte, es hat sich verteidigt. Mindestens zehntausende, wenn nicht hunderttausende Tote waren die Folge. Die Dimension des Krieges ist auch durch die perfide Situation zu erklären, dass die Hamas versteckt in Tunneln lebt und sich hinter Zivilisten und Geiseln versteckt, so dass jeder Schlag gegen sie mit Kollateralschäden einhergeht. Es ist also ein Dilemma zwischen zwei No-Go’s: Es kann nicht sein, dass offen, erklärtermaßen und fortgesetzt an der Vernichtung eines Volkes gearbeitet wird, ohne dass sich dieses Volk wehrt. Es kann aber auch nicht sein, dass bei der Bestrafung weniger der Tod zigtausender unschuldiger Menschen in Kauf genommen wird.
Dieses Dilemma ist ungelöst. Man kann durchaus bezweifeln, ob die vielen Toten des Gazastreifens durch israelischen Beschuss noch verhältnismäßig waren. Aber die Einhelligkeit, in der die Proteste sich gegen Israel richtete, und nicht gegen die Hamas, die die Geiseln jederzeit hätten freilassen können, darf auch kritisch gesehen werden. Auch die „free palestine“- Parolen richteten sich insofern an den falschen Adressaten.
Wie oben beschrieben wurde am Dienstag nach der Freilassung der Geiseln weltweit Frieden in Gaza gefeiert. Tatsächlich ruhen momentan die Waffen, und die Geiseln sind wieder bei ihren Familien, was eine enorme Errungenschaft ist. Aber bedeutet das Frieden?
Die Hamas, die – ebensowenig wie Israel – das Waffenstillstandsabkommen nicht unterschrieben hat, hat ihre im Friedensplan vorgesehene Entwaffnung bereits abgelehnt. Weiterhin hat sie angekündigt, den Kampf gegen Israel unvermindert fortsetzen zu wollen. Auch noch diese Woche hat die Hamas sieben Männer öffentlich hingerichtet, gefolgt von einem Kommentar aus dem weißen Haus, das „das okay“ sei.
Entgegen der Vereinbarung zur Freilassung der Geiseln hat die Hamas die Leichen von 19 getöteten Geiseln noch nicht herausgegeben. Angeblich könne sie sie nicht finden. Israel hat darauf mit der Fortsetzung der Kampfhandlungen gedroht. US-Präsident Trump hat der Organisation mit dem Tod gedroht.
Im Gegenzug für die Freilassung der 20 israelischen Geiseln hat sich Israel bereiterklärt, ca. 2000 palästinensische Häftlinge, teilweise Schwerverbrecher, freizulassen – eine absurdes Verhältnis. Der im Oktober 2024 von Israel getötete Hamas-Chef Sinwa, der als einer der Drahtzieher des Massakers am 7. Oktober 2023 gilt, war 2011 auch bei einem Gefangenenaustausch freigekommen. Möglicherweise wird der Drahtzieher des 7. Oktober 20XX in diesen Tagen freigelassen.
Eine Waffenruhe ist diese Woche erreicht worden – eine sehr fragile Waffenruhe. Ein Frieden liegt noch in weiter Ferne. Der Gazastreifen bleibt ein Pulverfass.